warum HELFEN mir wichtig ist?
... die folgende Rede erklärt das Prinzip der Unterstützung von Bedürftigen sehr gut ...
Sind wir nicht alle Bettler?
Elder Jeffrey R. Holland vom Kollegium der Zwölf Apostel
Ob reich oder arm – wir müssen tun, „was wir können“, wenn andere bedrängt sind.
In dem wohl überraschendsten Augenblick zu Beginn seines irdischens Wirkens erhob sich Jesus in der Synagoge seiner Heimatstadt Nazaret und las diese Worte vor, die Jesaja prophezeit hatte und die im Lukasevangelium verzeichnet sind:
Der Geist des Herrn ist über mir (oder: ruht auf mir), weil er mich gesalbt (= ausgerüstet) hat, damit ich den Armen die frohe Botschaft bringe; er hat mich gesandt, um den Gefangenen die Freilassung und den Blinden die Verleihung des Augenlichts zu verkünden, die Unterdrückten in Freiheit zu entlassen, 19ein Gnadenjahr des Herrn auszurufen.
Menge Bibel ... Lukas 4:18
So verkündete der Heiland zum ersten Mal öffentlich seine Mission als Messias. Dieser Vers zeigt jedoch auch auf, dass seine Aufgabe als Messias auf dem Weg zum beispiellosen Sühnopfer und zur Auferstehung in erster Linie darin bestand, sich um die Armen zu kümmern, darunter die im Geist Armen. Vom Beginn seines Wirkens an lagen die Mittellosen und Benachteiligten Jesus ganz besonders am Herzen. Seine Eltern zählten zu den Armen, und er wuchs auch unter Armen auf. Wir wissen nicht alles über seine irdischen Verhältnisse, aber er sagte einmal:
Die Füchse haben Gruben und die Vögel des Himmels Nester; der Menschensohn aber hat keine Stätte, wo er sein Haupt hinlegen kann.
Menge Bibel ... Matthäus 8:20
Offenbar war der Schöpfer von Himmel und Erde und von allem, „was darinnen ist“ (Buch Mormon 2. Nephi 2:14), zumindest als Erwachsener obdachlos.
Im Laufe der Geschichte hat sich Armut immer wieder als eine der größten und am weitesten verbreiteten Herausforderungen der Menschheit erwiesen. Sie bringt ganz offensichtlich materielles Leid mit sich, doch ihr geistiger und seelischer Schaden kann sogar noch lähmender sein. Auf jeden Fall hat uns der große Erlöser zu nichts eindringlicher aufgerufen als dazu, gemeinsam mit ihm diese schwere Last den Menschen zu nehmen. Als Jehova ging er mit dem Haus Israel streng ins Gericht, denn, so sagte er, Das den Armen geraubte Gut ist in euren Häusern! Wie kommt ihr dazu rief er, mein Volk zu zertreten und das Antlitz der Unterdrückten erbarmungslos zu zermalmen? (Menge Bibel ... Jesaja 3:14,15)
Der Verfasser der Sprichwörter stellte unmissverständlich heraus:
Wer den Geringen bedrückt, beschimpft den, der ihn geschaffen hat; wer sich aber des Armen erbarmt, erweist jenem (d. h. dem Schöpfer) Ehre.
Menge Bibel ... Sprüche 14:31
In der heutigen Zeit war nicht einmal ein Jahr seit Gründung der wiederhergestellten Kirche Jesu Christi vergangen, als der Herr den Mitgliedern gebot, nach den Armen und Bedürftigen [zu] sehen und ihnen Hilfe zuteilwerden [zu] lassen, sodass sie nicht leiden Lehre und Bündnisse 38:35.
Es fällt auf, dass in dieser Schrifststelle eine Aufforderung mitschwingt: „sodass sie nicht leiden“. So drückt sich Gott aus, wenn er etwas sehr ernst meint. Da es immens schwer ist, etwas gegen die Ungerechtigkeit auf der Welt zu unternehmen – was kann da ein Einzelner überhaupt tun? Der Herr selbst gab die Antwort. Als Maria Jesus das Haupt mit einem kostbaren Nardenöl salbte, ehe er verraten und gekreuzigt wurde, verurteilte Judas Iskariot diese Verschwendung und machte ihr laute Vorwürfe (Menge Bibel ... Markus 14:3:5) Da sagte Jesus: Laßt sie in Ruhe! Warum bekümmert ihr sie? Sie hat ein gutes Werk an mir getan! (Menge Bibel ... Markus 14:3:6) Sie hat getan, was in ihren Kräften stand (Menge Bibel ... Markus 14:3:8)
Das bringt es doch auf den Punkt! Ein Journalist befragte Mutter Teresa einmal über die hoffnungslose Aufgabe, die Mittellosen in Kalkutta zu retten. Er sagte, rein statistisch gesehen erreiche sie überhaupt nichts. Diese außergewöhnliche kleine Frau entgegnete energisch, bei ihrer Arbeit gehe es um Liebe, nicht um Statistiken. Trotz der ungeheuren Anzahl von Menschen außerhalb ihres Einflussbereichs könne sie das Gebot, Gott und ihren Nächsten zu lieben, halten, indem sie denjenigen innerhalb ihres Einflussbereichs mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln half. Was wir tun, gleicht einem Wassertropfen im Meer“, sagte sie ein andermal. „Aber würden wir nichts tun, wäre das Meer um einen Wassertropfen ärmer. (Mutter Teresa aus Kalkutta, My Life for the Poor, Hg. José Luis González-Balado und Janet N. Playfoot, 1985, Seite 20)
Der Journalist zog daraus nüchtern den Schluss, dass es im Christentum offensichtlich nicht um Statistiken geht. Er schlussfolgerte, wenn man sich im Himmel mehr über einen umkehrwilligen Sünder freue als über die neunundneunzig, die keine Umkehr brauchen, mache sich Gott wohl nicht so viele Gedanken um Prozentzahlen. (Siehe Malcolm Muggeridge, Something Beautiful for God, 1986, Seite 28f., 118f.; siehe auch Lukas 15:7)
Wie können wir also tun, „was wir können“? Zunächst einmal können wir, wie König Benjamin verkündete, damit aufhören, unsere Mittel zurückzubehalten, weil wir vielleicht meinen, die Armen hätten ihr Elend selbst über sich gebracht. Vielleicht haben sich manche ihre Probleme selber geschaffen, aber geht es uns anderen nicht ganz genauso? Stellte der mitfühlende Regent nicht aus diesem Grund die Frage: „Sind wir nicht alle Bettler?“ (Buch Mormon ... Mosia 4:19)
Flehen wir nicht alle um Hilfe und Hoffnung und darum, dass unsere Gebete erhört werden? Betteln wir nicht alle um Vergebung für Fehler, die wir gemacht, und Probleme, die wir verursacht haben? Bitten wir nicht alle inständig um die Gnade, die unsere Schwächen aufwiegt, damit zumindest für uns die Barmherzigkeit über die Gerechtigkeit triumphieren kann? Kein Wunder also, dass König Benjamin davon spricht, dass wir Vergebung für unsere Sünden erlangen, indem wir Gott anflehen, der sich unserer voller Mitgefühl annimmt, aber Vergebung für unsere Sünden bewahren, indem wir uns voller Mitgefühl der Armen annehmen, die uns anflehen.(Buch Mormon ... Mosia 4:11, 12 , 20, 26)
Wir sollen nicht nur etwas für die Bedürftigen unternehmen, weil wir Mitleid haben, sondern auch für sie beten. Ein Teil der Zoramiten, die vom übrigen Volk als „schmutzig“ und „Abschaum“ angesehen wurden, waren – und so heißt es in der Schrift – „wegen ihrer groben Gewänder“ aus den Synagogen ausgestoßen worden. Sie waren, wie Mormon es ausdrückt, „arm, was die Dinge der Welt betrifft; und … auch arm im Herzen“ (Buch Mormon ... Alma 32:2,3) – zwei Zustände, die fast immer Hand in Hand gehen. Das Missionarsgespann Alma und Amulek trat dieser verwerflichen Zurückweisung der schäbig Gekleideten entgegen, indem es diesen aufzeigte, dass sie – welche Rechte ihnen auch immer verwehrt werden mochten – dennoch jederzeit beten könnten, und zwar auf den Feldern, in ihren Häusern, in ihrer Familie und im Herzen.(Buch Mormon ... Alma 34:17-27)
Dann sagt Amulek jedoch diesen Menschen, die ja selbst abgewiesen worden waren: „Wenn ihr [gebetet] habt, aber die Bedürftigen und die Nackten abweist und nicht die Kranken und Bedrängten besucht und von eurer Habe, sofern ihr habt, mit den Bedürftigen teilt – ich sage euch, … so ist euer Beten unnütz und trägt euch nichts ein, und ihr seid wie Heuchler, die den Glauben verleugnen.“ (Buch Mormon ... Alma 34:28) Welch eindrucksvolle Mahnung, dass wir – ob reich oder arm – tun müssen, „was wir können“, wenn andere bedrängt sind.
Damit man mir aber nicht vorwirft, ich würde abenteuerliche Sozialprogramme für die Welt auf den Weg bringen wollen oder Bettelei als Wachstumsbranche preisen, möchte ich Ihnen versichern, dass ich Grundsätze wie Fleiß, Sparsamkeit, Eigenständigkeit und Ehrgeiz genauso in Ehren halte wie jeder andere. Wir sollen stets erst uns selbst helfen, bevor wir andere um Hilfe bitten. Außerdem weiß ich nicht genau, wie jeder von Ihnen seiner Pflicht gegenüber jenen, die dazu selbst nicht immer willens oder imstande sind, nachkommen sollte. Ich weiß aber, dass Gott es weiß. Er wird Ihnen helfen und Sie darin anleiten, ein mitfühlender Jünger zu sein, wenn Sie gewissenhaft dem Wunsch folgen, darum beten und Wege finden wollen, ein Gebot zu halten, das er uns immer wieder gegeben hat.
Sie wissen natürlich, dass es hier um schwierige gesellschaftliche Probleme geht, die bei weitem nicht nur auf die Mitglieder der Kirche beschränkt sind. Glücklicherweise ist des Herrn Weise, wie wir Mitglieder einander helfen können, einfacher: Jeder, der körperlich dazu imstande ist, soll das Gesetz des Fastens befolgen. Jesaja hat geschrieben: Ist nicht vielmehr das ein Fasten, wie ich es liebe: daß man ungerechte Fesseln löst, daß man die Bande des Knechtschaftjoches sprengt (oder: losmacht), Vergewaltigte in Freiheit setzt und jegliches Joch zerbricht? 7Nicht wahr? Wenn du dem Hungrigen dein Brot brichst und unglückliche Obdachlose in dein Haus aufnimmst, wenn du einen Halbnackten siehst, ihn kleidest und dich deinem Volksgenossen nicht entziehst. (Menge-Bibel ... Jesaja 58:6,7)
Ich gebe Zeugnis von den sowohl geistigen als auch materiellen Wundern, die jeder erlebt, der das Gesetz des Fastens hält. Ich gebe Zeugnis von den Wundern, die ich erlebt habe. Wie Jesaja es beschreibt, habe auch ich beim Fasten schon mehr als einmal gerufen, und Gott hat mir wahrhaftig geantwortet: Siehe, hier bin ich. (Menge-Bibel ... Jesaja 58:9)
Genießen Sie diesen heiligen Vorzug wenigstens einmal im Monat. Spenden Sie so großzügig, wie die Umstände es erlauben, etwas für das Fastopfer und auch für humanitäre Zwecke, Bildungsangebote und Missionsarbeit. Ich verheiße Ihnen, dass Gott Ihnen gegenüber großzügig sein wird und dass diejenigen, die von Ihnen Hilfe erhalten, Ihren Namen für immer preisen werden. Über eine Dreiviertelmillion Mitglieder der Kirche konnten letztes Jahr dank engagierter Bischöfe und FHV-Leiterinnen aus dem Fastopfer unterstützt werden. Das ergibt eine Menge dankbare Heilige der Letzten Tage. Brüder und Schwestern, wenn ich Ihnen so etwas predige, darf ich nicht verschweigen, wie unendlich ich selbst geistig und materiell gesegnet bin, obwohl ich das gar nicht verdient habe. Wie Sie hatte auch ich mitunter schon finanzielle Sorgen, aber ich war nie arm und weiß rein gar nichts darüber, wie es den Armen ergeht. Mir sind auch gar nicht alle Gründe bekannt, weshalb Umstände wie Herkunft oder Gesundheit, Bildung und wirtschaftliche Möglichkeiten hier auf Erden so weit auseinanderklaffen, aber wenn ich sehe, woran es so vielen mangelt, weiß ich, dass allein Gottes Gnade mich davor bewahrt hat. (In Anlehnung an John Bradford; siehe The Writings of John Bradford, Hg. Aubrey Townsend, 1853, Seite XLIII)
Ich weiß ebenfalls, dass ich vielleicht nicht meines Bruders Hüter bin, jedoch meines Bruders Bruder, und „weil mir so viel gegeben ist, so geb auch ich“ („Weil mir so viel gegeben ist“, Gesangbuch, Nr. 147; © Harper San Francisco)
Was dies betrifft, möchte ich Präsident Thomas S. Monson meinen Tribut zollen. Ich darf diesen Mann nun schon seit 47 Jahren begleiten, und das Bild, das ich bis zu meinem Tode in Ehren halten werde, ist das, wie er aus der wirtschaftlich daniederliegenden DDR in Hausschuhen nach Hause flog, weil er nicht nur seinen zweiten Anzug und seine Ersatzhemden, sondern sogar die Schuhe, die er gerade trug, verschenkt hatte. Wie lieblich (oder: willkommen) sind auf den Bergen [und durch ein Flughafenterminal schlurfend] die Füße (oder: Schritte) des Freudenboten, der Glück verkündet (Menge-Bibel ... Jesaja 52:7)
Mehr als jeder andere, den ich kenne, hat Präsident Monson für die Witwen und die Vaterlosen sowie die Armen und die Unterdrückten „getan, was er konnte“. In einer Offenbarung an den Propheten Joseph Smith sagte der Herr 1831, die Armen würden eines Tages das Reich Gottes sehen, wie es mit Macht und großer Herrlichkeit kommt, um sie zu befreien. (Lehre und Bündnisse 56:18) Mögen wir dazu beitragen, dass sich diese Prophezeiung erfüllt, indem wir mit der Macht und Herrlichkeit, die mit der Mitgliedschaft in der wahren Kirche Jesu Christi verbunden ist, tun, was wir können, um jeden aus der Armut zu befreien, die ihn umklammert und so viele seiner Träume zerstört. Dafür bete ich im barmherzigen Namen Jesu Christi. Amen.
Anmerkungen von Andreas Keil
- die Bibel-Zitate dieser Ansprache wurden aus zitat-rechtlichen Gründe durch Zitate der Menge-Bibel ersetzt
- die Angehörenden der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage werden ermutigt, einmal im Monat zu fasten (zwei Mahlzeiten auslassen) und das Gesparte Geld (gerne auch viel mehr) an Bedürftige zu spenden